Illustration mit Fake-News Kommissar vor einem Würstelstand

Im Spiel SchlaWiener versuchen Schüler*innen, dem Fake-News Kommissar zu entkommen. © Lisa Achammer

Spielerische Schulbildung zum Erkennen von Fake-News

Überblick

  • Forscherinnen vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wollten mit verschiedenen Lernmaterialien dazu beitragen, dass Jugendliche Fake-News besser erkennen können.
  • Dafür entwickelten sie ein Lernspiel und einen Infoflyer, deren Wirksamkeit im Zuge des Projektes „Der Fake-News Kommissar geht um“ getestet wurden.
  • Aus dem Projekt entsteht zusätzlich eine Handreichung für Lehrer*innen, die sie – gemeinsam mit dem Spiel oder dem Flyer – im neuen Unterrichtsfach „Digitale Grundbildung“ verwenden können.

Fake-News sind für jede Altersgruppe ein Problem. Allerdings gibt es Möglichkeiten, sie zu erkennen! In einem von der Stadt Wien geförderten Projekt werden Schüler*innen mittels eines Online-Games bzw. eines Infoflyers mit den Merkmalen von Fake News vertraut gemacht. Wie wirksam diese Methoden sind, wird zudem durch einen Vorher-Nachher Vergleich bei der Bewertung von Nachrichtenüberschriften getestet.

Die Kommunikationswissenschafterinnen Anne Reinhardt und Claudia Wilhelm sowie ihr Forschungsteam vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wollten zur Stärkung von Medienkompetenz im Hinblick auf Fake-News beitragen. Im Zuge des Projektes entwickelten sie evidenzbasierte, innovative Lernunterlagen, die beispielsweise im seit dem Schuljahr 2022/23  existierenden Schulfach „Digitale Grundbildung“ eingesetzt werden können. „Damit wollen wir auch Lehrer*innen unterstützen, da das Thema digitale Medienkompetenz ein zunehmend wichtiger Bestandteil des Schulcurriculums ist“, erzählt die Projektleiterin Anne Reinhardt.

„Impfen“ gegen Fake-News

Konzeptionell stützen sich die Wissenschafterinnen auf die sogenannte „Inoculation Theory“, die aus der Psychologie stammt und sich an einer medizinischen Metapher orientiert: „Ähnlich wie bei einer Impfung, wo geschwächte Erreger injiziert werden, um Antikörper aufzubauen, ist die Idee hier, dass Schüler*innen mit einer geschwächten Form von Fake-News konfrontiert werden, um mentale Antikörper aufzubauen“, verbildlicht Anne Reinhardt. Ausgehend davon wurde sowohl das Spiel, als auch der Infoflyer entwickelt. „Beide Unterlagen informieren über die fünf prominentesten Techniken hinter Fake-News“, so die Wissenschafterin. Diese sind: Verbreitung von Verschwörungstheorien (diese beinhalten in der Regel „böse“ Medien, Großkonzerne, oder Eliten),  Berufung auf „Fake Experts“ (eine Astrophysikerin wird etwa als Expertin für Medizin herangezogen), unrealistische Erwartungen (so wird etwa ein unmögliches Maß an Sicherheit gefordert), Cherry-Picking (es werden nur Argumente herangezogen, die zur eigenen Meinung passen, selbst wenn es eine Vielzahl an Gegenargumenten gibt), und logische Fehlschlüsse (etwa: weil letzten März die Temperatur im Normbereich war, gibt es den Klimawandel nicht).

Einsatz von Spiel und Infoflyer

Sowohl der Infoflyer als auch das Spiel „SchlaWiener - Entkomm‘ dem Fake News Kommissar“ informieren zwar über diese fünf Erkennungsmerkmale von Fake-News, der Kern des Projektes war jedoch definitiv das Spiel. „Das besondere hierbei ist, dass die Spielenden in einem fiktiven Trainingscamp selbst kurzzeitig in die Rolle von Fake-News Verbrechern schlüpfen und den Fake-News Kommissar an der Nase herumführen, um so später als top ausgebildete Undercover-Kommissar*innen effektiv Fake News aufzudecken“, erklärt Anne Reinhardt.

Zum Austesten der Materialien besuchten die Forscherinnen sechs Wiener Schulen (Gymnasien und Berufsschulen) und arbeiteten dort mit Klassen ab der 10. Schulstufe. Dabei bekam die Hälfte der Klasse jeweils den Infoflyer als Unterlage, während die andere Hälfte das webbrowser-basierte Spiel erkundete. Vor und nach dem Spiel bzw. Flyer bewerteten die Schüler*innen den Wahrheitsgehalt von 10 Nachrichten-Überschriften, wovon fünf die Fake-News Strategien enthielten. Mit der Vor- und Nachbereitung verbrachten die Wissenschafterinnen im Schnitt 40 Minuten in einer Schulklasse, wobei die Auseinandersetzung mit der Lernunterlage selbst ca. 15 Minuten dauerte.

Das Team um Anne Reinhardt wollte auf diese Weise herausfinden, ob eine der beiden Unterlagen einen besseren Lerneffekt auf das Erkennen von Fake News erzielt: „Spannenderweise funktionierten beide Interventionen im Grunde gleich gut, das Spiel hat den Schüler*innen jedoch deutlich mehr Spaß gemacht. Da Spaß ein großer Lernmotivator sein kann, hat das Spiel also durchaus bestimmte Vorteile“. Insgesamt waren die Schüler*innen nach den Interventionen mit den Lernunterlagen deutlich besser darin, Fake-News Überschriften zu erkennen als zuvor. Gleichermaßen fanden die Forscherinnen jedoch auch heraus, dass die Teilnehmenden im Anschluss auch vermehrt echte Nachrichtenüberschriften als Fake-News klassifizierten.

Unterlagen und Workshops für Lehrende

Diese Erkenntnisse lassen die Forscherinnen daher in eine umfangreiche Handreichung für Lehrer*innen miteinfließen. „Wir präparieren eine richtige Schulstunde. Dazu bereiten wir nicht nur Hintergrundinformationen, sondern auch Folien vor, die von Lehrpersonen genutzt werden können. Ein zentraler Teil davon soll auch das Spiel sein“, so Anne Reinhardt, „dieses muss allerdings stärker kontextualisiert werden als in unserer Studie, da die Schüler*innen, wie wir gesehen haben, dazu tendieren, nach der Lernunterlage übermäßig kritisch zu sein. In der Handreichung inkludieren wir daher Informationen dazu, wie echte Nachrichten erkannt werden können“. Die Schüler*innen sollen sich beispielsweise fragen: Wer steht hinter den Informationen? Ist eine seriöse Quelle angegeben? Und was sagen andere Medien zu dem Thema? Auch werden sie mit sogenannten Faktencheckern im Netz bekannt gemacht.

Bevor diese Handreichungen öffentlich verfügbar werden, wird das Forschungsteam im Juni Workshops mit Lehrer*innen durchführen. Dabei sollen einerseits die Ergebnisse der Studie besprochen, andererseits aber auch die Unterlagen gemeinsam mit den Lehrer*innen durchgegangen werden. „Wir sind auch sehr an den Perspektiven und Erfahrungen der Lehrer*innen interessiert. Wir möchten sehen ob das Spiel und die Handreichung so, wie wir sie gerade eben entwickeln, gut von den Lehrer*innen genutzt werden können, oder ob es da möglicherweise Hürden gibt, an die wir aus Forscherinnenperspektive nicht gedacht haben“, elaboriert Anne Reinhardt.

Einbindung in den Unterricht

Die Textlastigkeit der Materialien war zum Teil herausfordernd für die Schüler*innen, obwohl das Forschungsteam großen Wert darauf gelegt hatte, altersgerechte und gut verständliche Sprache zu nutzen. „Wir sehen da einen deutlichen Unterschied bei den verschiedenen Schultypen, wobei die Schüler*innen an den Gymnasien stärker von den Interventionen profitierten als etwa die Berufsschüler*innen“, erklärt Anne Reinhardt. Weiter sagt sie: „Wir vermuten außerdem, dass die Bereitschaft, bei einem Spiel viel zu lesen, etwas niedriger ausfällt als etwa beim Infoflyer, einfach weil es da eine andere Erwartungshaltung gibt.“ Daher empfehlen die Wissenschafterinnen, das Spiel im Unterricht eingebunden zu nutzen. Auf diese Weise könnten die Schüler*innen besser motiviert werden, am Ball zu bleiben, als wenn sie es alleine zuhause, etwa als Hausaufgabe, durchklicken würden.

Um die Textlastigkeit aufzubrechen, könnten sich künftig auch audiovisuelle Inhalte, wie etwa Reels, gut zur Wissensvermittlung eignen. Das lag allerdings außerhalb dessen, was die Wissenschafter*innen mit diesem Projekt erzielen wollten und konnten. „Natürlich könnte man immer mehr machen, wenn es keine zeitlichen und finanziellen Einschränkungen gäbe. Mit dem Rahmen, den wir hatten, sind wir jedoch sehr zufrieden mit unseren Lehrmaterialien“, erzählt Anne Reinhardt.

Fake-News als wichtiges gesellschaftliches Thema

Dass die Wissenschafterinnen mit ihrem Projekt zu Fake-News einen Nerv der Zeit getroffen haben, zeigt sich mitunter an der großen Resonanz seitens der Schulen: „In der Regel ist Schulrekrutierung etwas schwierig und die Rückmeldungen eher mäßig. In diesem Fall waren aber so gut wie alle Schulen, die wir kontaktiert haben, interessiert an einer Teilnahme“, berichtet die Wissenschafterin. Dadurch bestätigt sich für das Forschungsteam nicht nur die Relevanz innerhalb der Gesellschaft, sondern im Besonderen auch auf Bildungsebene. Nicht zuletzt deshalb hoffen die Forscher*innen, dass die von ihnen entwickelten Infomaterialien für Schüler*innen und die Handreichung für Lehrer*innen längerfristig genutzt und öffentlich bereitgestellt werden können. Nach den Workshops sollen die Unterlagen für die Lehrer*innen direkt auf der Startseite des Spiels zugänglich gemacht werden. (ht)

Eckdaten zum Projekt

  • Projekttitel: Der Fake News Kommissar geht um – Ein interaktiver Ansatz zur Stärkung der digitalen Media Literacy an Wiener Schulen
  • Laufzeit: 11/2022 – 06/2024
  • Projektteam: Anne Reinhardt, Claudia Wilhelm, Sophie Mayen, Amira Victor, Christina Koppensteiner
  • Beteiligte und Partner*innen: Lisa Achammer (Illustration)
  • Institut: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
  • Finanzierung: Stadt Wien (Call „Democracy in Progress“)