Großer Saal im Wiener Rathaus von der Galerie aus mit Blick über die Kronleuchter auf Ausstellungstände der Game City mit vielen jungen Menschen

Aufnahme von der „Game City“ im Wiener Rathaus © Andreas Tischler

Vom Funkeln des Spiels

Überblick

  • Soziales, kollaboratives Lernen über Schulen und Schultypen hinweg: Das Projekt „Sparkling Games“ beschritt innovative Forschungswege.
  • Im Rahmen des regulären Informatikunterrichts entwickelten Schüler*innen dreier Wiener Schulen nicht weniger als 18 Lernspiele, die sich dem Thema „Informatik und Gesellschaft“ widmen.
  • Der Großteil dieser Spiele wurde bei der Spielemesse „Game City“ der Öffentlichkeit präsentiert.

Spielerisch zu lernen bedeutet auch heute noch, didaktisches Neuland zu betreten. Ein transdisziplinäres Team der TU Wien und der Universität Wien beleuchtete den Zusammenhang zwischen Informatik und Gesellschaft, indem es SchülerInnen dreier Wiener Schulen dabei unterstützte, in kollaborativer Weise Brett- und Computerspiele zu entwickeln.

„Wir sind umgeben von Technik, zugleich hinterfragen wir viel zu selten die gesellschaftlichen Rahmungen, die Habitualisierung unserer Mediennutzung.“ Das wäre eine mögliche Ausgangsposition. Genauso gut ließe sich aber sagen, sie wollten einfach spielen. In den Jahren 2015 bis 2017 führten Fares Kayali, Peter Purgathofer und Naemi Luckner vom Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU Wien sowie Gerit Götzenbrucker und Vera Schwarz vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien das Forschungsprojekt „Sparkling Games – Die Gestaltung von Lernspielen zu Themen aus Informatik und Gesellschaft“ durch. Kooperationspartnerinnen waren drei Wiener Schulen, nämlich die HAK/HAS des BFI in der Margaretenstraße, die HTBLVA Spengergasse und das Gymnasium Schulschiff „Bertha von Suttner“.

Ausgangspunkt des Projektes war die Frage, inwieweit sich der gewaltige Einfluss, den technische Entwicklung und fortschreitende Informatisierung des Alltags auf das gesamte soziale Leben ausüben, auf spielerischer Ebene reflektieren lässt. „Wir haben also ein Lernsetting entworfen, dessen Ziel es war, Spiele zu gestalten, die sich lustvoll, aber zugleich didaktisch dem Thema ‚Informatik und Gesellschaft‘ nähern“, erzählt die Kommunikationswissenschafterin Gerit Götzenbrucker, Co-Leiterin des Projekts. Dazu entwickelte das Forschungsteam ein aufwendiges Konzept, das unter anderem Workshops in allen beteiligten Schulklassen, Befragungen, Spiele-Analysen, Game-Design-Kurse, Exkursionen, Austauschtreffen und zahlreiche Feedbackschleifen sowohl mit den Schüler*innen als auch mit dem Lehrpersonal vorsah. Herzstück von „Sparkling Games“ war aber die gemeinsame, schulübergreifende, kollaborative Entwicklung von Lernspielen und deren Präsentation im Rahmen der Wiener Spiele-Messe „Game City“ im Rathaus.

Wir haben die Schüler*innen aufgefordert, Spielideen zu entwickeln und umzusetzen, die sie gern in ihrer Klasse sehen wollen

Kayali, Götzenbrucker und ihr Team verstehen sich als aktive Aktions- und Interventionsforscher*innen. Dazu gehörte es auch, den Schüler*innen der drei Schulen ein Wissenschaftsbild zu präsentieren, das die Aspekte der Freiheit und der Neugier und ganz allgemein einen Hands-on-Approach in den Vordergrund stellt. „Wir waren für die Schüler*innen ja auch ein bisschen die Aliens“, erinnert sich Götzenbrucker. „Für die war das völlig neu, dass da eine bunte Truppe von der Uni kommt und mit ihnen Dinge macht, die sie sonst nur im Privatleben tun.“ Eine der zentralen Aufgaben vor Beginn des eigenen Spiele-Designs bestand beispielsweise darin, mögliche Lerninhalte in kommerziellen Spielen zu identifizieren. Manche Unterrichtsstunde bestand also darin, einen systematisch-didaktischen Blick auf die Strukturen von Computer- und Brettspielen zu richten. Die Beobachtungen der Schüler*innen flossen in eine vom Projektteam entwickelte Datenbank mit Lerninhalten, die wiederum mögliche Inputs für die eigenen Spiele bereitstellte. Wichtig war den Forscher*innen der horizontale Zugang: „Das war also nicht: ‚Hoppla, jetzt kommt die Wissenschaft, und wir sagen euch, was ihr zu tun habt‘, sondern wir haben die Inhalte gemeinsam mit den Schüler*innen erarbeitet“, betont Götzenbrucker. Der Fokus lag auf Coaching und Begleitung. „Wir haben die Schüler*innen einfach aufgefordert, Spielideen zu entwickeln und umzusetzen, die sie gern in ihrer Klasse sehen wollen.“

Unsere Spiele: Worabble, Survivor, The World’s End

Nach etwa einem Jahr waren einzelne Spielideen so weit ausgereift, dass sie im Rahmen eines ersten Austauschtreffens den Schüler*innen der anderen Schulen präsentiert werden konnten. Dabei zeigten sich die Forscher*innen vom Grad der konstruktiven Interaktion beeindruckt. „So 70 bis 80 aufgeregte 15- bis 17-jährige Jugendliche in einem Raum. Das war schon recht tumultig“, erinnert sich Götzenbrucker. Mit Postersessions, wie sie auch bei wissenschaftlichen Konferenzen üblich sind, erklärten die Spielentwickler-Teams einander, worum es in dem jeweiligen Game gehen sollte; man gab einander ausführlich Feedback und fand sich in Spiele-Testgruppen zusammen. „Der Aspekt des sozialen Lernens war uns sehr wichtig“, erzählt Götzenbrucker. „Wir wollten Kollaborationsprozesse im Verbund der Schulen und außerhalb der eigenen Klassen anstoßen, und ich denke, das ist uns wirklich gut gelungen.“

Im Lauf des zweieinhalbjährigen Projekts haben die Schüler*innen der drei Schulen nicht weniger als 18 Spiele entwickelt. Darunter waren Adaptierungen populärer Wissensspiele wie Quizduell und Weiterentwicklungen klassischer Brettspiele wie Scrabble, Malefiz oder Monopoly, aber auch digitale Spiele, in denen es um Simulation und strategisches Verhalten ging. Zwölf dieser Spiele erlangten Prototypreife und konnten daher zu Projektschluss auf der Spielemesse „Game City“ gezeigt und gespielt werden. Die Spiele trugen Namen wie Worabble, Survivor oder The World’s End. „Am Ende hatten wir natürlich Riesenstress, die Spiele fertigzubringen“, erinnert sich Götzenbrucker. „Aber für die Schüler*innen war das eine große Anerkennung ihrer Leistungen: ein eigener Stand auf der Game City. Tolles Empowerment, sozusagen.“ Insofern kann der soziale Gewinn des Projekts gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Der Schulbetrieb hat uns schon immer wieder vor Herausforderungen gestellt

„Vor allem einmal wird den Zusammenhängen zwischen Informatik und Gesellschaft in den Lehrplänen der Schulen nur rudimentär Aufmerksamkeit geschenkt“, erklärt Götzenbrucker. „Da steht viel über Netzwerktechnik, aber wenig über Kreativität und Reflexion.“ Insofern betraten die Forscher*innen mit ihrem offenen, reflexiven, spielerischen Ansatz auch methodisches Neuland. „Die Schüler*innen, aber auch die Lehrer*innen haben das sehr zu schätzen gewusst“, setzt Götzenbrucker fort. Das Lehrpersonal begrüßte den „Ausbruch aus der Routine“ sehr, das haben ausführliche Evaluierungsgespräche bei Projektende ergeben.

„Doch der Schulbetrieb hat uns schon in ein sehr enges Korsett gepresst“, bedauert Götzenbrucker. Da das Projekt im Rahmen des Informatik-Regelunterrichts durchgeführt wurde und man den Schüler*innen keine überbordenden Hausaufgaben mitgeben wollte, war der Zeitmangel ein ständiger Begleiter. „Parallel zu unserem Projekt muss ja auch der reguläre Informatik-Stoff abgearbeitet werden, und im Juni hat überhaupt niemand Zeit, weil alle vor Schulschluss noch unendlich viel zu tun haben, und die Vorbereitung auf die Zentralmatura legt sowieso alle Nebenfächer lahm.“ Ganz grundsätzlich ist spielerisches, kollaboratives, soziales Lernen in Österreichs Lehrplänen maximal am Rande vorgesehen. „Wir wissen, dass die Schüler*innen sehr viel über Kooperation und Game-Design gelernt haben, aber ob wir damit auch nachhaltige Effekte erzielt haben, ist schwer zu sagen“, betont Götzenbrucker. „Es sollte mehr – und entsprechend evaluierte – Lerninterventionen dieser Art an Schulen geben.“ Noch sei das aufgrund der Restriktionen der Lehrpläne nicht möglich, „aber das wird schon“. Götzenbrucker selbst ist als Schulbotschafterin für spielerisches Lernen aktiv und davon überzeugt, dass das Engagement von Schulen für ludische Aktivitäten in den kommenden Jahren wachsen wird. „,Sparkling Games‘ war zweifellos ein Referenzprojekt, aber wir haben noch viele Ideen, die über diesen Rahmen hinausgehen.“ (tg)

Eckdaten zum Projekt

  • Titel: Sparkling Games – Die Gestaltung von Lernspielen zu Themen aus Informatik und Gesellschaft
  • Laufzeit: 03/2015–08/2017
  • Projektteam: Gerit Götzenbrucker, Vera Schwarz
  • Institut: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
  • ProjektpartnerInnen und Beteiligte: Fares Kayali (Projektleitung, Zentrum für LehrerInnenbildung und Technische Universität Wien); Peter Purgathofer (Technische Universität Wien); HTBLVA Spengergasse (Wien 5), HAK/HAS, Schule für EDV des BFI Wien (Wien 5), GRG Schulschiff „Bertha von Suttner“ (Wien 21),
  • Finanzierung: Sparkling-Science-Programm des BMBWF