Strategiespiele
Überblick
- Die Finanzierung von Forschung und die strategischen Überlegungen von wissenschaftlichem Leitungspersonal stehen in einem komplexen Wechselspiel.
- Während Schweden stärker auf die Einwerbung von Drittmittel durch einzelne Forscher*innen setzt, ist in Österreich die staatliche Forschungsfinanzierung über die Grunddotierung der Universitäten nach wie vor von großer Bedeutung.
- Dieses explorativ angelegte Projekt versucht, das Verhältnis zwischen Forschungsstrategie und Forschungsförderung zu analysieren.
Staatliche Basisförderung oder Drittmittelfinanzierung? Unter welchen Rahmenbedingungen treffen Rektor*innen und Dekan*innen strategische forschungspolitische Entscheidungen, und welche Wechselwirkungen entstehen dabei? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt “Follow the Money” von Uni Wien, WIFO, WWTF und der schwedischen Universität Lund.
Alle Menschen, die jemals das Neue Institutsgebäude der Universität Wien betreten haben, können zumindest einen Satz aus dem österreichischen Staatsgrundgesetz von 1867 zitieren: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, steht am ersten Treppenabsatz des Nachkriegsbaus in großen Messinglettern an einer Marmorwand zu lesen. Zwischen dieser ethisch aufgeladenen Absichtserklärung des 19. Jahrhunderts und den Rahmenbedingungen, unter denen heutige Forschung stattfindet, bewegt sich das Projekt “Follow the Money”, das Maximilian Fochler vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien gemeinsam mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) und der schwedischen Universität Lund durchführt.
„Uns interessiert die Finanzierung von Forschung an Universitäten und deren Wechselwirkung mit der Strategieentwicklung“, erzählt Fochler. „Wie gehen die Institutionen, aber auch einzelne Akteur*innen – Rektor*innen, Vizerektor*innen für Forschung, Dekan*innen – vor, wenn sie Forschung organisieren?“
Wir stellen uns die Unis als autonom vor, aber in Wirklichkeit gibt es viele Einflussfaktoren.
Jürgen Janger vom WIFO ergänzt: „Wir stellen uns die Universität als autonome Einrichtung vor, aber in Wirklichkeit stimmt das nicht so ganz, da gibt es viele Faktoren, die gerade auf die Forschung – zu einem kleineren Teil auch auf die Lehre – Einfluss nehmen.“ Theoretisch kann ein Rektorat zwar frei entscheiden, wofür es Geld ausgeben will, aber die Leistungsvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium sowie die Interessen und Schwerpunkte der Drittmittelgeber setzen dieser Freiheit pragmatische Grenzen. „Und wir fragen uns nun: Wie wirken sich unterschiedliche Eigenschaften von Finanzierungsquellen auf die strategischen Überlegungen von Universitäten aus, und wie können umgekehrt die Universitäten unterschiedliche Quellen nutzen, um ihre strategischen Ziele umzusetzen?“ Dabei ist es wichtig, nicht nur die Fördersummen, sondern auch die Rahmenbedingungen im Blick zu behalten, betont Fochler. „Denn wenn es beispielsweise nur mehr Ein-Jahres-Projekte gäbe, hätte das massive Auswirkungen auf die Art des von den Unis produzierten Wissens.“ Und, so könnte man hinzufügen, auf die Attraktivität der Universitäten als Arbeitgeber*innen.
Das Verhältnis von Forschungsstrategie und Forschungsförderung: Das mag nun nach einem eher esoterischen Thema klingen, das jenseits einer kleinen Gruppe von Wissenschafter*innen und Wissenschaftsmanager*innen niemanden interessiert. „Doch eine solche Auffassung würde übersehen, dass die Universitäten zentrale gesellschaftliche Funktionen erfüllen: (Aus)bildung, Wissensproduktion, das Lösen von Problemen, aber auch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Akteur*innen“, erklärt Fochler.
Gerade weil die nationalen Rahmenbedingungen so große Auswirkungen auf die Strategieentwicklung der Universitäten haben, ist der Vergleich wichtig, weshalb dieses Projekt eine Kooperation mit der schwedischen Universität Lund einging. „Nur wenn wir die betreffenden Systeme in vergleichender Perspektive betrachten, erkennen wir die jeweils nationalen Eigenheiten und deren Auswirkungen“, sagt Fochler.
Methodisch ruht das Projekt auf drei Standbeinen. Zum einen haben die Wissenschafter*innen analysiert, welche Gelder aus welchen Quellen überhaupt durch die Universitätslandschaft fließen. Besonderes Augenmerk gilt der Herkunft und dem Volumen der Drittmittel sowie den Veränderungen, die sich in diesem Bereich in den letzten Jahren gezeigt haben. „Im Anschluss daran haben wir qualitative Interviews mit Menschen in Leitungsfunktionen an ausgewählten Universitäten geführt: Rektor*innen, Forschungsbeauftragte, Dekan*innen, um herauszufinden, welche Strategien diese Akteur*innen unter den aktuellen Bedingungen verfolgen“, erläutert Fochler das Vorgehen. Zuletzt entwickelten die Forscher*innen einen Fragebogen, der an die Dekan*innen von österreichischen und schwedischen Universitäten versandt wurde. „Das war, wenn man so will, ein theoriegetriebenes Sampling“, erklärt Fochler. Die untersuchten Universitäten wurden so ausgewählt, dass sie ein breites Spektrum an unterschiedlichen Profilen in der Forschung abbilden – von Volluniversitäten mit einem breiten Fächerspektrum, zu eher spezialisierten Universitäten bis hin zu Universitäten, die eine stärkere Bedeutung für die Ausbildung in der Region haben.
Wer schwedischen Unis sagen will, woran sie forschen sollen, muss das über Drittmittel tun.
Die Feldarbeit ist erledigt, erzählen die Forscher. „Nun werten wir aus, aber es ist im Moment noch schwierig zu sagen, was unsere zentralen Erkenntnisse sind“, meint Fochler. „Aber es ist jedenfalls interessant, die schwedische mit der österreichischen Situation zu vergleichen. In Schweden gibt es mehr Geld, das anders verteilt wird als in Österreich, und der Drittmittelanteil ist viel höher, darunter auch die Beiträge von privaten Stiftungen. Dort wird auch erwartet, dass Forscher*innen einen Teil ihrer eigenen Personalkosten einwerben. Drittmittel sind gewissermaßen die Bedingung für die wissenschaftliche Karriere; sie bieten die Möglichkeit, sich einen Platz an der Universität zu sichern.“ In Österreich macht die staatliche Basisfinanzierung nach wie vor einen großen Teil der universitären Einnahmen aus, in Schweden wird damit vorwiegend die Lehre bezahlt. „Wenn man schwedischen Unis stärker sagen wollte, woran sie forschen sollen, müsste man das über Drittmittel tun“, sagt Janger. In Österreich hingegen stehen etwa für themenorientierte Forschung, nehmen wir an, eine Milliarde Euro für klimarelevante Forschung, mehrere Kanäle offen. „Dieses Geld könnte man über konkrete Projektausschreibungen beim FWF ausgeben, man könnte es den Unis nach bestimmten Schlüsseln direkt in die Hand geben, die Unis könnten die Förderungen nach dem Gießkannenprinzip, auf dem Wege von Calls oder nach ganz anderen Indikatoren verteilen – es geht uns in dem Projekt genau um dieses Wie und die Wechselwirkungen mit der Forschungsstrategie von Universitäten.“
Zwischen den Leistungsvereinbarungen und dem, was geforscht wird, gibt es oft nur einen mittelbaren Bezug.
Das Forschungsprojekt versteht sich als explorativ; es will keinen forschungspolitischen Idealzustand normativ setzen, von dem die einzelnen Länder und Universitäten jeweils in unterschiedlichem Maß abweichen. „Wir fragen: Wie funktionieren Strategien, und von welchen Faktoren werden sie beeinflusst. Aber wir würden nie so weit gehen und sagen, hier ist es besser, dort ist es schlechter oder umgekehrt“, betont Fochler. „Aber wir hoffen schon, sachdienliche Hinweise zur Forschungspolitik zu liefern.“ Nicht zuletzt wollen die Projektmitarbeiter*innen ihren Interviewpartner*innen Feedback-Workshops anbieten, die das Lernen voneinander ermöglichen und das wechselseitige Verständnis erhöhen sollen. Die Wissenschafter*innen hoffen darüber hinaus, mit den Ergebnissen ihres Projekts dem universitären Leitungspersonal ein analytisches Raster liefern zu können, das die Konsequenzen strategischer Entscheidungen abbildet. „Also: Mit welchem Instrument komme ich zu welchem Ziel, mit welchen Hindernissen und Restriktionen muss ich rechnen, wenn ich bestimmte Dinge verändern will?“, präzisiert Janger. Aber auch für die staatlichen Entscheidungsträger*innen sollte die Studie wertvollen Input liefern, etwa wenn es darum geht, mit welchen Mechanismen bestimmte Veränderungen angestoßen werden können, oder in der Entscheidung zwischen bilateral abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen und zweckgebundenen Projektausschreibungen, um die Universitäten oder Fakultäten sich einen freien Wettbewerb liefern. „Zwischen den Leistungsvereinbarungen und dem, was geforscht wird, gibt es ja oft nur einen mittelbaren Bezug“, meint Janger. „Insofern denke ich schon, dass die österreichische Wissenschaftspolitik in unserem Projekt Anregungen findet.“ (tg)
Eckdaten zum Projekt
- Titel: Follow the Money. The relations between funding streams for research and strategic targets as a challenge for university management. An empirical case study – comparing Austria and Sweden
- Laufzeit: 09/2019 – 08/2021
- Institut: Institut für Wissenschafts- und Technikforschung
- Projektteam: Maximilian Fochler, Lisa-Maria Ferent; Jürgen Janger (WIFO Wien); Michael Stampfer, Michael Strassnig (WWTF)
- Finanzierung: Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB)