Ein ewig langes/breites Bewässerungsgerät fährt durch ein Getreidefeld, welches sich über die ganze Bildbreite zieht und bis zum Horizont reicht. Das Gerät erstreckt sich über die gesamte Breite des Feldes.

Bewässerungssystem für die Bewässerung von Weizen, das während der Trockenzeit in Betrieb ist. © Tijo Salverda

Soja setzen in Sambia

Überblick

  • Europäische Konzerne berücksichtigen Kritik betreffend ethisches Verhalten bei ihren wirtschaftlichen Engagements in Afrika heute wesentlich mehr als noch vor 2o Jahren.
  • Doch den Investitionen folgen nicht die erwarteten Renditen.
  • Bekenntnisse zur Kontinuität könnten helfen, die Akzeptanz in der Landbevölkerung zu erhöhen.

Zahlreiche Nahrungsmittelkonzerne haben in den letzten 15 Jahren Land in Afrika erworben, um dort in großem Stil Landwirtschaft zu betreiben. Tijo Salverda beschäftigt sich mit der Frage, wie diese Unternehmen die Balance zwischen ökonomischen Interessen und ethischen Ansprüchen halten – und was passiert, wenn die Prognosen nicht eintreffen.

2008. Alle denken an den Crash der Weltwirtschaft, aber kaum jemand erinnert sich an die Ernährungskrise, die im selben Jahr insbesondere die Länder des sogenannten Globalen Südens erschütterte. Diese Krise brachte eine ganze Reihe von europäischen und US-amerikanischen, aber auch asiatischen Nahrungsmittelkonzernen auf die Idee, Land in Afrika zu erwerben, um darauf mit modernen Methoden Landwirtschaft zu betreiben. In Afrika, lautete die Arbeitshypothese, gebe es unendlich viel un- oder untergenutztes, aber potenziell kultivierbares Land, und mit geeigneten Bewässerungssystemen ließen sich sogar zwei Ernten pro Jahr einfahren. Essen müssen wir alle, und deshalb erschien das Engagement der großen Konzerne in Afrika als “safe bet,” als Investition, bei der beinahe nichts schiefgehen konnte.

 Die Kritik am ‘land grabbing’ hat Wirkung gezeigt

Tijo Salverda vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien führt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), eine empirische Studie in Sambia durch, wo ein europäischer Nahrungsmittelkonzern, der aus vertragsrechtlichen Gründen anonym bleibt, rund 38.000 Hektar Land gekauft hat. „Mich interessiert, wie Unternehmen die Balance zwischen ihren wirtschaftlichen Interessen und den moralischen Erwägungen halten, die bei Investitionen in Afrika stets eine Rolle spielen“, erklärt der Ethnologe. Gerade was den Ankauf von Land betrifft, gehen die meisten Investoren heute mit wesentlich mehr Fingerspitzengefühl vor als noch vor 20 Jahren. „Die Kritik am ‘land grabbing’, also am Landraub, hat deutliche Wirkung gezeigt“, betont Salverda. Und so trat auch der Konzern, um den es in Salverdas Projekt geht, nicht mehr als (Post-)Kolonialherr auf, sondern arbeitete mit sambischen Partnern eng zusammen. „Natürlich gab es Probleme mit den Besitzverhältnissen, aber schließlich hat das Unternehmen kein sogenanntes ‘traditional land’ erworben, das in gemeinschaftlichem oder Stammeseigentum stand, sondern lediglich Grundstücke von privaten Eigentümern gekauft.“ Dennoch kam es dabei zu Umsiedlungen, doch das Unternehmen gab sich große Mühe, diesen Prozess verträglich zu gestalten. „Sie haben an den neuen Wohnorten richtige Häuser gebaut, das war für Leute, die zuvor in einfachen Unterkünften gelebt hatten, natürlich ein großer Fortschritt. Manche Kleinbauern, die zuvor kein eigenes Land besessen hatten, erhielten Grundeigentum. Das Unternehmen hat Vertragsanbau-Abkommen, sogenannte ‘outgrower schemes,’ mit den Kleinbauern der Umgebung geschlossen, um aktuellen Standards der Entwicklungszusammenarbeit gerecht zu werden. Für die Bewirtschaftung des Anbaugebiets hat das Unternehmen zwei Staudämme und ein modernes Bewässerungssystem errichten lassen – man sieht also, da wurde richtig viel Geld in die Hand genommen“, schildert Salverda die Ausgangssituation.

Im Anschluss daran wurde in großem Stil mit Getreide und Gemüse experimentiert. Zurzeit konzentriert man sich im Sommer auf den Sojaanbau, im Winter liegt der Fokus auf Getreidesorten. Außerdem baut man Chilischoten an, die gleich in der Region getrocknet und gemahlen werden. Doch bis heute hat das Unternehmen keinen Profit aus seinem hohen Kapitaleinsatz gezogen. „Man hat zwar die Dämme gebaut, doch dann hat es einige Jahre lang weniger geregnet als geplant, deshalb konnte man die künstliche Bewässerung nicht wie geplant nutzen“, erläutert Salverda. „Außerdem verursacht eine Investition in dieser Größenordnung auch üppige Managementkosten.“

 Es funktioniert nicht, wie es soll, aber es funktioniert ein bisschen

Und damit geriet das Unternehmen unter Druck. Es hat die Dimension seines Engagements reduziert und konnte, verkürzt gesagt, seine Versprechen nicht halten. „Wenn du keinen Gewinn machst, kannst du auch nicht einen Prozentsatz des Gewinns in Community-Projekte stecken oder die Bezahlung der Beschäftigten verbessern“, sagt Salverda. Daraus entstehen Konflikte. Zugleich sind die Umstände nicht so schlecht, dass irgendein*e Akteur*in die Anwesenheit des Konzerns grundsätzlich in Frage stellt. „Meine zentrale Forschungsfrage, nämlich wie man die negativen Auswirkungen ausländischer Investitionen mildern kann, ist extrem schwer zu beantworten“, analysiert Salverda. „Sambia ist auf Geld aus dem Ausland angewiesen und sollte vermutlich stärker steuernd eingreifen, aber dafür fehlen der Exekutive des Landes die Kapazitäten. Veränderungen in der Gehaltsasymmetrie zwischen Konzernangestellten und Kleinbauern wären sicher hilfreich, aber das will das Unternehmen nicht.“ Doch hier gäbe es zumindest den Hebel, die Bereitstellung von EZA-Mitteln an die Anpassung der Lohnverhältnisse zu knüpfen.

Doch vor allem vermisst die betroffene Landbevölkerung das Bekenntnis zur Kontinuität, hat Salverda herausgefunden. „Wenn man mit so einer großen Investition ins Land kommt, sollte man ehrlich sein und den Leuten sagen: Wir wissen nicht, wann wir Gewinn machen, aber wir sagen euch 50.000 oder 100.000 Euro im Jahr für Community-Projekte zu, wir bauen zum Beispiel eine Schule und gründen ein Komitee mit den Dorfbewohner*innen, damit nicht immer nur die Eliten involviert sind. Und später fließt ein bestimmter Prozentsatz des Profits in die weitere Entwicklung des Landstrichs. Das wäre nicht so schwierig, aber sie machen es halt nicht.“

 Embedded research

Salverdas Arbeit zeigt, wie Investitionen sich auswirken, was sich in den betroffenen Gegenden ändert und was nicht, wo sich die Verhältnisse verbessern und wo eben nicht. Doch sie begann beinahe als “embedded research.” Salverda schloss eine Vereinbarung mit dem Unternehmen, die es ihm erlauben sollte, auch intern zu forschen – also das Management zu interviewen, Einsicht in Strategiepapiere zu nehmen etc. Darüber hinaus verbrachte er jedes Jahr ein bis zwei Monate pro Jahr in Sambia. „2017, zu Projektbeginn, hatte ich viel mit dem lokalen Manager des Unternehmens zu tun, der für Corporate Social Responsibility zuständig ist. Dieser Mann hat die Beziehungen zu den Kleinbauern aufrechterhalten, hat vermittelt, wenn es Probleme gab, hat die Kontakte zu den lokalen ‘chieftains’ gepflegt.“ Salverda fand sich anfangs eher in einer Beobachterrolle wieder, knüpfte jedoch rasch Kontakte zur lokalen Bevölkerung und zu den NGOs, die in der Region tätig sind.

„Mein Zugang zu Unternehmensmitarbeiter*innen und internen Dokumenten ist leider zu Ende gegangen“, bedauert Salverda. Die Artikel, die er im Rahmen dieses Projekts veröffentlichte, waren dem Management zu kritisch. „Die waren gar nicht zufrieden und haben ständig gefragt: ‚Warum schreibst du nicht über das Positive?‘ Naja, ich habe das Positive selbstverständlich erwähnt, aber ich konnte klarerweise kein ‘whitewashing’ betreiben.“ Diese Einschränkung war aber Salverda zufolge unproblematisch, weil er in der Zwischenzeit viele andere Forschungspartner*innen kennengelernt hatte.

Salverda führte zahlreiche Interviews mit vielfältigen Akteur*innen. „Ich habe auch die Botschafterin des Landes getroffen, aus dem das Unternehmen stammt. Es hat mich einfach interessiert zu erfahren, wie die offiziellen Stellen des Landes das Engagement der Firma sehen und ob sie die Kritik, die insbesondere die NGOs formulieren, kennen und darauf reagieren.“ Und? „Ehrlich gesagt, entspricht der Kenntnisstand der Politik selten der Realität. Die Botschaft unterstützt die Investitionen aus dem eigenen Land, aber wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen, erfahren die politischen Repräsentant*innen das eher als letzte. Aber manchmal lassen die nationalen Vertreter*innen auch ganz bewusst die Finger von solchen Projekten, um nicht als naiv dazustehen, wenn sie schiefgehen.“

Dauerhafte Kritik – von NGOs, von Wissenschaftler*innen, von Oppositionspolitiker*innen – ist die Basis für Veränderung zum Besseren, davon ist Salverda überzeugt. „Da hat sich ja auch viel getan. Ökologische Katastrophen, ausgelöst durch ausländische Investitionen, wie sie in den letzten 50 Jahren eher die Regel als die Ausnahme waren, kommen nicht mehr so häufig vor und erhalten mehr Aufmerksamkeit. Doch zugleich müssen wir und die betroffenen Unternehmen der Tatsache ins Auge sehen, dass sich diese Investitionen, die die Konzerne vor zehn oder 15 Jahren getätigt haben, oft in Afrika nicht wirklich rentiert haben“, urteilt Salverda. „Es wäre ein überaus interessantes Forschungsprojekt, über die Bedingungen nachzudenken, die zum Scheitern all dieser Proposals und Projektionen geführt haben, aber dazu sind die betroffenen Unternehmen leider nicht willens und in der Lage. Ich vermute, die PR-Abteilungen sind dagegen.“ (tg)

Eckdaten zum Projekt

  • Titel: Wirtschaftliche Unternehmen und ihre Kritiker: Bestrebungen zur Milderung des negativen Einflusses von großangelegten Agrikulturinvestitionen in Afrika
  • Laufzeit: 2017–2022
  • Projektleitung: Tijo Salverda
  • Institut: Institut für Kultur- und Sozialanthropologie
  • Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)