Foto vom österreichischen Parlament

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Neue Wahlhilfe bot Nationalratswähler*innen zusätzliche Einblicke

Überblick

  • Politikwissenschafter*innen der Uni Wien kollaborierten mit dem wissenschaftlichen Netzwerk Politools, welches Politikmonitoring- und Orientierungstools entwickelt.
  • Für die Nationalratswahl 2024 brachten sie die Wahlorientierungshilfe „smartvote“ nach Österreich.
  • Smartvote soll Wähler*innen dabei helfen, eigene politische Standpunkte mit den Positionen wahlwerbender Parteien zu vergleichen, um eine möglichst informierte Wahlentscheidung treffen zu können.

Wahlorientierungstools sollen Wähler*innen dabei helfen, sich einen Überblick über die inhaltlichen Positionen verschiedener wahlwerbender Parteien zu verschaffen. Ein Team des Instituts für Staatswissenschaft trug dazu bei, das Tool smartvote vor der Nationalratswahl 2024 erstmals auf den österreichischen Markt zu bringen.

Ein Team um Matthias Kaltenegger und Franziska Windisch von der Uni Wien kollaborierte mit Politools, einem wissenschaftlichen Netzwerk in der Schweiz, welches smartvote – eine digitale Anwendung zur Veranschaulichung politischer Positionen von Parteien – entwickelt hat. Smartvote wird bereits seit längerem in Ländern wie Liechtenstein oder der Schweiz angeboten. „Während Politools das technische Know-how mitbrachte, und für die Aufbereitung der Wahlorientierung und die Website verantwortlich war, trugen wir  unser spezifisches Wissen um die politische Landschaft in Österreich bei. Wir standen mit den zur Nationalratswahl antretenden Parteien in Kontakt und erstellten den Fragebogen“, erzählt Matthias Kaltenegger.

Smartvote ermöglicht potenziellen Wähler*innen, ihre eigenen politischen Ansichten mit den Positionen der wahlwerbenden Parteien vergleichen zu können. „Zudem regt es die Wähler*innen an, sich selbst über politische Vorschläge, die in der kommenden Legislaturperiode behandelt werden könnten, Gedanken zu machen“, so Kaltenegger.

Fragen, was relevant ist

Um das zu gewährleisten, erforderte die Fragebogenerstellung viel Geschick und Know-How seitens der Politikwissenschafter*innen. Matthias Kaltenegger berichtet: „Wir haben Fragen zu politischen Vorschlägen entwickelt, die realistischerweise in der kommenden Legislaturperiode relevant sein werden und die auch in die Zuständigkeit des Nationalrats fallen. Zudem haben wir versucht, Fragen so auszuwählen, dass die unterschiedlichen Standpunkte der Parteien sichtbar werden. Damit soll ermöglicht werden, dass Nutzer*innen auch Unterschiede zwischen Parteien festmachen können, die inhaltlich nah beieinanderstehen.“

Der Fragebogen umfasst demnach sehr konkrete politische Vorschläge wie etwa die Beibehaltung von staatlichen Förderungen für fossile Energieträger, oder das Einfrieren der Mietpreise zur Inflationsbekämpfung. „Das hat auch den Mehrwert, dass Wähler*innen zusätzliche inhaltliche Informationen bekommen und sich Gedanken zu ihren eigenen Standpunkten zu Themen machen, die nicht allzu viel mediale Aufmerksamkeit erfahren, aber dennoch hohe politische Relevanz haben“, erklärt Franziska Windisch. 

Antworten abgleichen

Ähnlich wie bei der seit vielen Jahren bekannten Plattform Wahlkabine beantworteten alle antretenden Parteien die von den Wissenschafter*innen formulierten Fragen. „Wir waren wirklich positiv überrascht, dass wir, mit dem in Österreich noch nicht etablierten smartvote, tatsächlich von allen Parteien eine Antwort bekommen haben“, so Windisch. „Wäre das nicht so gewesen, hätten wir uns mit Expert*inneneinschätzungen begnügen müssen. Das hätte die Validität der Wahlorientierung reduziert“. 

Das fertige Tool ermöglicht es Wähler*innen, dieselben Fragen zu beantworten, und ihre Positionen mit jenen der verschiedenen Parteien abzugleichen. „Während bei der Wahlkabine mit ‚ja‘ oder ‚nein‘ geantwortet werden kann, gibt es bei smartvote Abstufungen zwischen ‚ja‘, ‚eher ja‘, ‚eher nein‘ und ‚nein‘“ meint Kaltenegger. Der wesentlichere Unterschied sei jedoch, dass die Antworten der Parteien und Wähler*innen grafisch dargestellt und dadurch detaillierte Ansichten ermöglicht werden können. Zusätzlich zu einem absoluten Matching-Score sehen Nutzer*innen die Übereinstimmung ihrer eigenen Antworten mit den Positionen unterschiedlicher Partien in einzelnen Politikfeldern, etwa im Bereich Außenpolitik, Sozialpolitik, oder Umweltpolitik. „Wir hoffen, den Wähler*innen dadurch genaue Einblicke zu geben, wo genau sich ihre Ansichten mit den Positionen der Parteien überschneiden und unterscheiden“, sagt Kaltenegger.

Spider Grafiken und mediales Interesse daran

„Wir nutzen die Antworten, die wir von den Parteien bekommen, um die Parteien im politischen Raum zu verorten“, erklärt Franziska Windisch: „Dabei brachten unsere Partner*innen bei Politools die Expertise zur grafischen Darstellung der politischen Positionen der Parteien mit.“ Die Positionen der Parteien werden auf einer Spinnengrafik auf unterschiedlichen Achsen unter anderem in den Bereichen Gesellschaftspolitik, Sozialstaat und Migrationspolitik markiert. Dadurch können themenspezifische Gemeinsamkeiten und Unterschiede der antretenden Parteien anschaulich dargestellt werden. Das wirke auch über die Wahlentscheidung hinaus, da auch bei der Koalitionsbildung inhaltliche Überschneidungen und Differenzen von politischen Parteien in einzelnen Politikfeldern hochrelevant seien, so die Wissenschafterin.

Der Mehrwert einer solchen Visualisierungsmethode von politischen Positionen wurde anscheinend auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen, so Windisch: „Unsere Grafiken wurden stark von den Medien aufgegriffen, und wir haben viele Rückfragen dazu erhalten. Da sind wir durchaus auf fruchtbaren Boden gestoßen“. Insgesamt sei das Medienecho deutlich größer gewesen, als erwartet.

Es ist immer nur ein Ausschnitt

Die Wissenschafter*innen sehen smartvote als eine positive Ergänzung zu den anderen Wahlentscheidungshilfen, wie etwa die Wahlkabine, die es bereits seit längerem in Österreich gibt.  Im Vorfeld der Nationalratswahl wurden mit smartvote rund 50 000 Matchings für Wähler*innen erzielt. Jan Fivaz von Politools zieht dabei folgendes Fazit: „Wir hatten keine konkreten Erwartungen bezüglich der Nutzungszahlen – vor allem vor dem Hintergrund, dass mit der Wahlkabine der langjährige Platzhirsch der Wahlhilfen ja wieder am Start war, es auch noch andere Plattformen gab und smartvote das erste Mal in Österreich angeboten worden ist.“

Wichtiger als die Nutzungszahlen sei für Politools der Erfahrungsgewinn. „Eine Wahlhilfe in Österreich anzubieten unterscheidet sich deutlich davon, wie wir es von der Schweiz her gewohnt sind. Nicht zuletzt auf Grund der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Team der Uni Wien konnten wir einiges lernen, dass uns bei zukünftigen Anwendungen von smartvote außerhalb der Schweiz helfen wird“, so Fivaz.

„Mit jeder zusätzlichen Wahlorientierungshilfe, die der Bevölkerung zur Verfügung steht, bekommen die Wähler*innen mehr Informationen. Da von Plattform zu Plattform unterschiedliche Fragen gestellt und diese anders aufbereitet werden, bietet jede durch bestimmte Fragen verschiedene Einblicke“, sagt Matthias Kaltenegger. Solche Darstellungen dürften dabei aber nicht als präzise und vollständige Repräsentationen der politischen Positionen der Parteien verstanden werden. Vielmehr könne mithilfe der Wahlorientierungstools immer nur ein kleiner Ausschnitt davon, was die Parteien alles machen, dargestellt werden. (ht)

Eckdaten zum Projekt

  • Projekttitel: Smartvote Österreich
  • Laufzeit: 05/2024 – 10/2024
  • Projektteam: Benedikt Seisl, Franziska Windisch, Jakob Meinel, Manuel Scharrer, Matthias Kaltenegger und Michael Imre
  • Beteiligte und Partner*innen: Smartvote/Politools
  • Institut: Institut für Staatswissenschaft